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Sofortige Beschwerde

Die sofortige Beschwerde, § 793 ZPO

kommt insbesondere gegen Erinnerungsentscheidungen nach § 766 ZPO (vgl. C III 1 a cc a.E., dazu unten a ) und gegen Entscheidungen des Vollstreckungsgerichts im Rahmen der Forderungspfändung (zu den insoweit geltenden Besonderheiten unten b) in Betracht.

     

     

    a) Die sofortige Beschwerde gegen die Erinnerungsentscheidung

       

      aa) Zulässigkeit

       

        aaa) Statthaftigkeit

        Die Statthaftigkeit der sofortigen Beschwerde gegen Erinnerungsentscheidungen ist unproblematisch, da es sich bei Erinnerungsentscheidungen unzweifelhaft um Entscheidungen im Zwangsvollstreckungsverfahren handelt, die ohne mündliche Verhandlung ergehen können (vgl. §§ 793, 764 Abs. 3 ZPO).

         

        bbb) Zuständigkeit

        Zuständig für die Beschwerdeentscheidung ist das übergeordnete Gericht, vgl. § 72 GVG. Hierbei handelt es sich um das Landgericht, da Vollstreckungsgericht immer das Amtsgericht ist (vgl. § 764 Abs. 1 ZPO).

         

        ccc) Form, Frist

        Die sofortige Beschwerde ist gemäß § 569 Abs. 2 ZPO n.F. schriftlich oder – da es sich bei den Erinnerungsentscheidungen nicht um solche in einem Anwaltsprozeß handelt – gemäß § 569 Abs. 3 Nr. 1 ZPO n.F. zu Protokoll der Geschäftsstelle einzulegen, und zwar entweder bei dem Amtsgericht, das erstinstanzlich entschieden hat (§ 569 Abs. 1 Satz 1, 1. Alt. ZPO n.F., “iudex a quo”), oder bei dem Beschwerdegericht (§ 569 Abs. 1 Satz 1, 2. Alt. ZPO n.F., “iudex ad quem”).

         

        Die sofortige Beschwerde ist fristgebunden. Sie ist gemäß § 569 Abs. 1 ZPO n.F. binnen einer Notfrist von zwei Wochen ab Zustellung der Erinnerungsentscheidung einzulegen.

         

        Es besteht kein Anwaltszwang für die Einlegung der sofortigen Beschwerde (§§ 569 Abs. 3, 78 Abs. 3 ZPO), wohl aber für die – praktisch seltene, vgl. §§ 572 Abs. 4, 128 Abs. 4 ZPO – mündliche Verhandlung vor der Beschwerdekammer des Landgerichts (vgl. T/P 573/4).

         

        ddd) Rechtsschutzbedürfnis

        Das Rechtsschutzbedürfnis besteht vom Beginn der Zwangvollstreckung an bis zu deren endgültiger Beendigung durch die Befriedigung des Gläubigers.

         

        Beispiel (nach Lackmann a.a.O., Rn. 229): Das Vollstreckungsgericht hat mit seiner Erinnerungsentscheidung eine Pfändung des Gerichtsvollziehers für unzulässig erklärt und die Vollziehung seiner Entscheidung nicht ausgesetzt. Daraufhin hat der Gerichtsvollzieher gemäß §§ 775 Nr. 1, 776 ZPO das Pfandsiegel entfernt. Nunmehr legt der Gläubiger sofortige Beschwerde ein. Mit diesem Rechtsmittel kann er nicht erreichen, daß die Verstrickung neu entsteht; vielmehr muß er den entstrickten Gegenstand neu pfänden lassen (vgl. T/P 776/4). Dennoch fehlt seiner sofortigen Beschwerde nicht das Rechtsschutzbedürfnis. Denn gerade zu diesem Zweck benötigt der Gläubiger die sofortige Beschwerde, da der Gerichtsvollzieher andernfalls zu Recht seinen Antrag auf erneute Pfändung des Gegenstandes unter Hinweis auf die formelle Rechtskraft der Erinnerungsentscheidung ablehnen könnte.

         

        eee) Beschwer

         

        Unproblematisch ist die formelle Beschwer des Erinnerungsführers, die gegeben ist, wenn das Vollstreckungsgericht seine Erinnerung ganz oder teilweise zurückgewiesen hat, und die formelle Beschwer des Erinnerungsgegners, die vorliegt, wenn das Vollstreckungsgericht der Erinnerung ganz oder teilweise stattgegeben hat.

         

        Auch Dritte können unabhängig von der formellen Beschwer durch die Erinnerungsentscheidung erstmals in eigenen Rechten betroffen sein und dadurch die erforderliche Beschwer haben. Dies gilt etwa für am Erinnerungsverfahren nicht beteiligte Personen, z.B. Familienmitglieder, die durch Unpfändbarkeitsvorschriften wie § 811 Abs. 1 Nr. 5 ZPO mitgeschützt sind und durch die den Gerichtsvollzieher zur Pfändung anweisende Erinnerungsentscheidung erstmals selbst betroffen werden (vgl. Lackmann a.a.O., Rn. 231).

         

        Der Gerichtsvollzieher kann nur in Ausnahmefällen durch die Erinnerungsentscheidung beschwert sein. Das ist unstreitig dann der Fall, wenn das Vollstreckungsgericht ihm – was nicht zulässig ist – die Kosten des Erinnerungsverfahrens auferlegt hat (vgl. Lackmann a.a.O., Rn. 232). Streitig ist die Beschwer allerdings in den folgenden Fällen (grundsätzlich ablehnend etwa Zöller/Stöber a.a.O., § 766 Rn. 37):

         

          - Das Vollstreckungsgericht hat den Kostenansatz des Gerichtsvollziehers herabgesetzt (§ 766 Abs. 2 ZPO). Hier wird z.T. die Beschwer des Gerichtsvollziehers angenommen, da dieser als Kostenbeamter, der einen Teil der Gebühren selbst erhält, in eigenen Rechten betroffen sei (so z.B. OLG Karlsruhe DGVZ 1974, 114; T/P 766/28; Musielak a.a.O., § 793 Rn. 4; Lackmann a.a.O., Rn. 232; a.A. z.B. Zöller/Stöber a.a.O., § 766 Rn. 37 m.w.N. aus der Rechtsprechung);

           

          - Der Gerichtsvollzieher hält die vom Vollstreckungsgericht angeordnete Vollstreckung für unzulässig und befürchtet Notwehrmaßnahmen des Schuldners (so eine vereinzelte Ansicht, etwa die frühere Rechtsprechung des OLG Düsseldorf, vgl. NJW 1978, 2205 – ausdrücklich aufgegeben in NJW 1980, 1111 –; ferner Lackmann a.a.O., Rn. 232, der in Musielak a.a.O., § 793 Rn. 4 zumindest im Grundsatz allerdings die Gegenansicht vertritt). Anderer Ansicht (keine Beschwerdebefugnis) ist allerdings die ganz überwiegende Ansicht in Rechtsprechung und Schrifttum: Maßnahmen und Entscheidungen des Vollstreckunsgerichts seien für den Gerichtsvollzieher ebenso bindend wie Entscheidungen des im Instanzenzug übergeordneten Gerichts für das Erstgericht (Zöller/Stöber a.a.O., § 766 Rn. 37); die Ausführung einer gerichtlich angeordneten Maßnahme könne nicht rechtswidrig sein und daher auch keine Regreßansprüche auslösen (OLG Düsseldorf NJW 1980, 1111; T/P 766/28; Musielak a.a.O., § 793 Rn. 4).

           

      bb) Begründetheit

         

        aaa) Die sofortige Beschwerde ist in dem Umfang begründet, in dem die Erinnerungsentscheidung sich als falsch herausstellt. D.h.:

         

        - stattgebende Erinnerungsentscheidung: sofortige Beschwerde ist begründet, wenn und soweit Erinnerung unzulässig oder unbegründet war;

         

        - zurückweisende Erinnerungsentscheidung: sofortige Beschwerde ist begründet, wenn und soweit Erinnerung begründet war.

         

        Zu prüfen ist also die Zulässigkeit und Begründetheit der Erinnerung.

         

        bbb) Zum Tenor gilt das Folgende:

         

          (1a) Bei unzulässiger sofortiger Beschwerde:

           

          “Die sofortige Beschwerde des ... (z.B.: Schuldners) gegen den Beschluß des Amtsgerichts ... vom ..., Az.: ..., wird verworfen.”

           

          (1b) Bei unbegründeter sofortiger Beschwerde:

      

          “Die sofortige Beschwerde des ... (z.B.: Schuldners) gegen den Beschluß des Amtsgerichts ... vom ..., Az.: ..., wird zurückgewiesen.”

           

          (2) Bei begründeter sofortiger Beschwerde ist zu unterscheiden zwischen Fällen der Aufhebung und Zurückverweisung an das Amtsgericht, etwa:

           

          “Auf die sofortige Beschwerde des ... (z.B.: Schuldners) wird der Beschluß des Amtsgerichts ... vom ..., Az.: ..., aufgehoben. Dem Amtsgericht wird aufgegeben, unter Beachtung der Rechtsauffassung der Beschwerdekammer erneut über die Erinnerung des ... (z.B.: Schuldners) gegen ... (zu bezeichnende Vollstreckungsmaßnahme) zu entscheiden.”

           

          und Fällen, in denen – wie in der Regel – eine Abänderung der Erinnerungsentscheidung möglich und ausreichend ist und die Beschwerdekammer eine eigene Sachentscheidung treffen kann (d.h. über die Erinnerung erneut entscheidet), etwa:

           

          “Auf die sofortige Beschwerde des ... (z.B.: Schuldners) wird der Beschluß des Amtsgerichts ... vom ..., Az.: ..., abgeändert und wie folgt neugefaßt:

           

          Auf die Erinnerung des Schuldners wird die vom Gerichtsvollzieher am ... durchgeführte Pfändung für unzulässig erklärt.”

     

          (3) Die Kostenentscheidung richtet sich nach den §§ 91 ff. ZPO und, soweit die sofortige Beschwerde keinen Erfolg hat, nach § 97 Abs. 1 ZPO. Bei einer Abänderung der Entscheidung des Vollstreckungsgerichts ist auch über die Kosten der Erinnerung (erneut) zu entscheiden.

           

          (4) Eine Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit entfällt wegen § 794 Abs. 1 Nr. 3 ZPO.

           

          (5) Auch hier ist bei Entscheidungen, die in die Vollstreckung eingreifen, zu prüfen, ob die Vollziehung nach § 570 Abs. 2 ZPO n.F. ausgesetzt wird, wenn das Beschwerdegericht gegen seinen Beschluß die Rechtsbeschwerde zuläßt (§ 574 Abs. 1 Nr. 2 ZPO n.F.).

 

        ccc) Zur Form der Entscheidung (begründeter Beschluß) gilt das zur Erinnerung ausgeführte entsprechend. Der Sachverhalt (“I.”) ist hier in Anlehnung an den Tatbestand eines Berufungsurteils abzufassen (vgl. im einzelnen Lackmann a.a.O., Rn. 235); in den im Urteilsstil zu formulierenden Rechtsausführungen (“II.”) sollte die Entscheidung des Vollstreckungsgerichts nicht herabgewürdigt werden (“völlig rechtsirrig verkennt das Amtsgericht in permanenter Ignorierung der ständigen, wenn auch unveröffentlichten Rechtsprechung der Beschwerdekammer unverständlicherweise zum wiederholten Male, daß ...”), sondern in sachlicher Weise die Zulässigkeit und Begründetheit der Erinnerung überprüft werden.

 

 

    b) Besonderheiten der sofortigen Beschwerde gegen Entscheidungen des Rechtspflegers und des Richters im Rahmen der Forderungspfändung

       

    Zu den Abgrenzungsproblemen zur Vollstreckungserinnerung im Rahmen der Statthaftigkeit und zu § 11 Abs. 1 und 2 RPflG vgl. die Ausführungen zur Erinnerung.

       

    Das Rechtsschutzbedürfnis fehlt dem Gläubiger auch dann nicht, wenn er eine Abhilfeentscheidung des Rechtspflegers anficht, mit der dieser auf einer Erinnerung des Schuldners einen zuvor erlassenen Pfändungs- und Überweisungsbeschluß aufgehoben hat. Zwar kann durch die Beschwerdeentscheidung nicht der alte, aufgehobene Beschluß wieder in Kraft gesetzt, sondern höchstens ein neuer Beschluß erlassen werden. Die Alternative – Stellen eines neuen Antrages, den der Rechtspfleger ablehnen würde, woraufhin der Gläubiger nunmehr gegen diesen ablehnenden Beschluß sofortige Beschwerde einlegen müßte – stellt jedoch demgegenüber gerade keinen einfacheren und billigeren, sondern den umständlicheren Weg dar (vgl. Lackmann a.a.O., Rn. 332).

       

    Zur Beschwer gelten die Ausführungen zur Erinnerung entsprechend. Zusätzlich ist der Gläubiger beschwert, wenn das Vollstreckungsgericht seinen Antrag ganz oder teilweise abgelehnt hat.

       

    Die sofortige Beschwerde des Schuldners ist begründet, wenn nicht alle Voraussetzungen der Forderungspfändung gegeben sind. Die sofortige Beschwerde des Gläubigers ist begründet, wenn diese sämtlich vorliegen.

       

    Im Tenor ist über die angefochtene Entscheidung und, wenn diese abgeändert wird, auch (erneut) über den Antrag des Gläubigers zu entscheiden. Hält die Beschwerdekammer die sofortige Beschwerde gegen die Ablehnung des Antrages auf Erlaß eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses oder gegen dessen Aufhebung für begründet, kann es den beantragten Pfändungs- und Überweisungsbeschluß entweder selbst erlassen oder dem Rechtspfleger die erneute Entscheidung über den Antrag unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung der Kammer übertragen (§ 572 Abs. 3 ZPO n.F.).

 

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