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Bestimmtheitserf. bei der Vorpfändung

Vorpfändung

 

Mit Urteil vom 8. Mai 2001 (IX ZR 9/99; NJW 2001, 2976) hat der BGH entschieden, daß

 

- die der Vorpfändung dienende Benachrichtigung des Drittschuldners die Forderung, deren Pfändung angekündigt wird, ebenso eindeutig bezeichnen muß wie die Pfändung der Forderung selbst, und daß

 

- die rangwahrende Arrestwirkung einer Vorpfändung sich im Falle einer weitergehenden endgültigen Pfändung auf die vorgepfändeten Forderungen beschränkt.

 

Dem Rechtsstreit lag folgender Sachverhalt zugrunde:

 

Die Klägerin verlangte von der beklagten Bank als Drittschuldnerin die Erfüllung einer gem. § 845 ZPO vorgepfändeten Forderung.

 

Sie erwirkte am 30.12.1992 gegen die Schuldnerin ein vorläufig vollstreckbares Urteil auf Zahlung von 200.000,- DM nebst Zinsen. Auf Grund dieses Titels wurde der Beklagten am 29.12.1992 ein "vorläufiges Zahlungsverbot" i.H.v. 215.727,29 DM nebst Zinsen ab 23.12.1992 gem. § 845 ZPO durch den Gerichtsvollzieher zugestellt. Darin heißt es: "Wegen dieser Ansprüche einschließlich der Zustellungskosten und der weiter anfallenden Zinsen steht die Pfändung der Ansprüche und Rechte unmittelbar bevor, die der Schuldnerin gegen (Anschrift und Bankleitzahl der Beklagten) - Kto.-Nr.: 299511 zustehen." Ein Pfändungs- und Überweisungsbeschluß über 214.845,45 DM nebst Zinsen ab 23.12.1992 wurde der Beklagten am 21.1.1993 zugestellt. Am 17.2.1993 erteilte die Beklagte eine "Drittschuldnererklärung", in der die Pfändung in ein "Girokonto-Nr. 299.420 u.a." dem Grunde nach anerkannt wurde. Nachdem die Klägerin die Beklagte darauf hingewiesen hatte, dass die Schuldnerin auf ihrem Geschäftspapier ihr Konto Nr. 2062388 bei der Beklagten angebe, ergänzte die Beklagte mit Schreiben v. 7.5.1993 ihre Drittschuldnererklärung dahin, dass die Schuldnerin bei Zugang der Vorpfändung und Pfändung bei ihr fünf Konten - darunter Konten Nr. 299420 und 299511 - unterhalten habe, zu keinem Zeitpunkt aber Inhaberin des Kontos Nr. 2062388 gewesen sei.

 

Das letztgenannte Konto war am 28.4.1992 eröffnet worden; als "Kontoinhaber" wurde eingetragen "W. GmbH w/D.". Diese Kontoerrichtung erklärt sich daraus, dass W., der Alleingeschäftsführer und -gesellschafter der W. GmbH ist, den Geschäftsführern und Gesellschaftern der Schuldnerin ein Darlehen von 200.000,- DM gewährte. Im August 1992 wurde W. Geschäftsführer und Mehrheitsgesellschafter der Schuldnerin. Er allein durfte über das Konto Nr. 2062388 verfügen. Über dieses Konto wurde der gesamte Geschäfts- und Zahlungsverkehr der Schuldnerin abgewickelt. Am 13.1.1993 - zwischen Vorpfändung und Pfändung - überwies die Beklagte von diesem Konto 265.411,33 DM auf das Privatkonto W's.

 

Landgericht und Oberlandesgericht gaben der Klage auf Zahlung von 242.908,34 DM in der Hauptsache statt. Der BGH hob das Urteil des Oberlandesgerichts insoweit auf und verwies die Sache an es zurück. Zur Begründung hat er ausgeführt (Hervorhebungen hat der Verf. hinzugefügt):

 

“I.

Die Vorinstanzen haben die Klageforderung zugesprochen, weil die Beklagte am 13.1.1993 - zwischen Vorpfändung und Pfändung - 265.411,33 DM von dem Konto Nr. 2062388 an W. überwiesen hat.

 

Ein solcher Anspruch gegen die Beklagte wegen dieser Auszahlung setzt voraus, dass die Vorpfändung eine Forderung der Schuldnerin gegen die Beklagte aus diesem Konto umfasst hat. Das Berufungsgericht hat das angenommen und dazu ausgeführt: Zwar habe sich das der Beklagten im Rahmen der Vorpfändung zugestellte vorläufige Zahlungsverbot ausdrücklich nur auf das Konto Nr. 299511 der Schuldnerin bezogen. Dieses Konto sei jedoch nur beispielhaft im Anschluss an die Adresse der Beklagten genannt worden. Da die Pfändung der Ansprüche und Rechte der Schuldnerin gegen die Beklagte angekündigt worden sei, erstrecke sich die Vorpfändung auf alle Ansprüche - auch auf Auszahlung künftiger Guthaben - aus der Geschäftsbeziehung und damit auch auf das Konto Nr. 2062388.

 

Diese tatrichterliche Auslegung hält der Revisionsrüge nicht stand (§ 286 ZPO).

 

1. Die der Vorpfändung dienende Benachrichtigung an den Drittschuldner (§ 845 Abs.1 ZPO) muß die Forderung des Vollstreckungsschuldners gegen den Drittschuldner, deren Pfändung angekündigt wird, ebenso eindeutig bezeichnen wie die Pfändung selbst (OLG Düsseldorf MDR 1974, 409; Brehm in Stein/Jonas; ZPO; 21.Aufl.; § 845 Rz.7; Smid in MünchKomm/ZPO, 1992, § 845 Rz. 13; Hartmann in Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 59.Aufl., § 845 Rz.4, 12; Zöller/Stöber, ZPO, 22.Aufl., § 845 Rz.3; Musielak/Becker, ZPO, 2.Aufl., § 845 Rz.3; Stöber, Forderungspfändung, 12.Aufl., Rz. 799). Das ergibt sich aus dem Sicherungszweck der Vorpfändung. Diese wirkt wie eine Beschlagnahme der betroffenen Forderung (BGH v. 30.3.1983 - VIII ZR 7/82, BGHZ 87, 166 [168] = MDR 1983, 663) und begründet den Rang eines Pfändungspfandrechts, das durch die Pfändung innerhalb eines Monats seit Zustellung der Benachrichtigung entsteht (§ 845 Abs. 2 mit §§ 804, 930 Abs.1 ZPO; vgl. BGHZ 66, 394 [397] = MDR 1976, 1014 und BGHZ 68, 289 [292] = MDR 1977, 746 für die Arrestpfändung).

 

Ein gerichtlicher Pfändungsbeschluss (§ 829 ZPO), der als Hoheitsakt durch das Revisionsgericht ausgelegt werden darf, hat zur Rechts- und Verkehrssicherheit die gepfändete(n) Forderung(en) und deren Rechtsgrund so bestimmt zu bezeichnen, daß bei verständiger Auslegung unzweifelhaft feststeht, welche Forderung Gegenstand der Zwangsvollstreckung sein soll. Die gepfändete Forderung muß von anderen unterschieden werden können; das Rechtsverhältnis, aus dem sie hergeleitet wird, ist wenigstens in allgemeinen Umrissen anzugeben. Die Bestimmtheit des Pfändungsgegenstandes muß sich bei einer Auslegung des Pfändungsbeschlusses aus diesem selbst ergeben und nicht nur für die unmittelbar Beteiligten, sondern auch für andere Personen - insbesondere für weitere Gläubiger des Schuldners - klar sein. Deswegen können Umstände außerhalb des Beschlusses bei der Auslegung nicht berücksichtigt werden. An die Bezeichnung der gepfändeten Forderung dürfen allerdings keine übermäßigen Anforderungen gestellt werden, weil der Gläubiger regelmäßig die Verhältnisse seines Schuldners nur oberflächlich kennt. Ungenauigkeiten sind unschädlich, wenn eine sachgerechte Auslegung ergibt, was in Wahrheit gemeint ist (u.a. BGHZ 13, 42 [43f.]; BGH v. 29.11.1984 - X ZR 39/83, BGHZ 93, 82 [83f.] = MDR 1985, 407; Urt. v. 9.7.1987 - IX ZR 165/86, WM 1987, 1311 [1312]; v. 28.4.1988 - IX ZR 151/87, NJW 1988, 2543 [2544] = MDR 1988, 859; Beschl. v. 1.3.1990 - IX ZR 147/89, WM 1990, 1397 [1399] = MDR 1990, 914; Urt. v. 13.7.2000 - IX ZR 131/99, WM 2000, 1861 [1862] = MDR 2000, 1273).

 

2. Die der Vorpfändung dienende Benachrichtigung des Drittschuldners durch den Gläubiger kann ebenfalls vom Revisionsgericht selbst ausgelegt werden, weil § 845 ZPO ihr die hoheitliche Wirkung einer Verstrickung der betroffenen Forderung beilegt und damit einem Hoheitsakt gleichstellt . Diese Auslegung ergibt, dass sich die angekündigte "Pfändung der Ansprüche und Rechte ..., die der Schuldnerin gegen" die - mit Adresse und Bankleitzahl angegebene - Beklagte "Kto.-Nr.: 299511 zustehen", nur auf Forderungen aus dem Girovertrag betreffend das allein angegebene Konto erstreckt hat. Nur dieses Rechtsverhältnis ist nach Inhalt und Umfang in der Benachrichtigung bezeichnet. Dafür, dass die Vorpfändung auch ein anderes Rechtsverhältnis zwischen der Schuldnerin und der Beklagten - etwa betreffend das Konto Nr. 2062388 - umfassen sollte, bietet der Wortlaut der Benachrichtigung keinen Anhaltspunkt (vgl. BGH, Beschl. v. 1.3.1990 - IX ZR 147/89, WM 1990, 1397 [1399] = MDR 1990, 914). Daran ändert der Ausdruck "Ansprüche und Rechte" nichts, weil sich die Verwendung der Mehrzahl unmittelbar und ausschließlich auf das allein bezeichnete Kontoverhältnis bezieht und insoweit dahin zu verstehen ist, dass sämtliche Forderungen aus diesem Rechtsverhältnis vorgepfändet werden. Als Hinweis auf die Vorpfändung einer anderen Forderung der Schuldnerin gegen die Beklagte reicht die Angabe "Ansprüche und Rechte" auch deswegen nicht aus, weil sie dafür zu unbestimmt ist (vgl. BGHZ 13, 42 [43]). Der - vom Berufungsgericht verwendete - Begriff "Geschäftsbeziehung" oder ein gleichbedeutender Ausdruck, der über das in der Vorpfändung angegebene Konto hinaus auf ein weiteres Konto hindeuten könnte, fehlt in der Bezeichnung des Gegenstandes der Vorpfändung. Deren Wortlaut enthält auch keinen ausreichenden Anhaltspunkt dafür, dass das mitgeteilte Konto nur beispielhaft genannt worden ist; eine entsprechende Hervorhebung, etwa durch das Wort "insbesondere" oder einen ähnlichen Ausdruck, fehlt (vgl. BGH, Urt. v. 28.4.1988 - IX ZR 151/87, NJW 1988, 2543 [2544] = MDR 1988, 859).

 

Nach alledem enthält die weitergehende Auslegung durch das Berufungsgericht eine unzulässige Ergänzung der Benachrichtigung, die der Beklagten im Rahmen der Vorpfändung gem. § 845 Abs. 1 ZPO zugestellt worden ist (vgl. BGH v. 29.11.1984 - X ZR 39/83, BGHZ 93, 82 [84] = MDR 1985, 407).

 

3. Der Gegenstand der Vorpfändung kann nicht mehr durch die spätere Pfändung erweitert werden. Vielmehr kommt der rechtzeitigen Pfändung die rangwahrende Arrestwirkung der Benachrichtigung an den Drittschuldner nur insoweit zugute, als die Vorpfändung reicht (§§ 845 Abs.2, 930 ZPO; BGH, Urt. v. 4.7.1973 - VIII ZR 59/72, WM 1973, 892 [893]; Brehm in Stein/Jonas; ZPO; 21.Aufl.; § 845 Rz. 24; Smid in MünchKomm/ZPO, 1992, § 845 Rz. 19; Hartmann in Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 59.Aufl., § 845 Rz. 12; Musielak/Becker, ZPO, 2.Aufl., § 845 Rz.8; Schuschke in Schuschke/Walker, Vollstreckung und Vorläufiger Rechtsschutz, 2.Aufl., § 845 ZPO Rz.7; Schütz, NJW 1965, 1009 [1010]; Stöber, Forderungspfändung, 12.Aufl., Rz. 807). Deswegen kann es für die hier zu entscheidende Frage, ob der Klägerin ein Anspruch gegen die Beklagte auf Erfüllung einer vorgepfändeten Forderung betreffend das Konto Nr. 2062388 zusteht, offen bleiben, ob die Pfändung sich auch auf dieses Konto erstreckt hat. Aus diesem Grunde kommt es - entgegen der Ansicht der Revisionserwiderung - für die Auslegung der Vorpfändung ebenfalls nicht auf den Inhalt der Drittschuldnererklärung an.

 

III.

Die Sache ist noch nicht entscheidungsreif.

 

Die Klägerin hat ihr Klagebegehren auch auf andere Anspruchsgrundlagen gestützt. (...)”

 

 

 

Mit dieser Entscheidung hat der BGH zur Frage der Bestimmtheit der Benachrichtigung bestätigt und sich zu eigen gemacht, was im Anschluß an die genannte Entscheidung des OLG Düsseldorf ohnehin herrschende Ansicht war (vgl. auch T/P 845/5). Gleichzeitig hat er nochmals die Bestimmtheitserfordernisse für die Bezeichnung der gepfändeten Forderung in Pfändungs- und Überweisungsbeschlüssen zusammengefaßt (vgl. dazu auch T/P 829/7) und führt beispielhaft eine sich im Rahmen des danach Zulässigen haltende Auslegung durch. Ferner stellt er nochmals klar, daß die Arrestwirkung der Benachrichtigung nur im Umfang der Vorpfändung bestehen kann.

 

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